7 mögliche Nebenwirkungen von Probiotika

Lebensfähige Mikroorganismen können im Körper zu unerwünschten Nebeneffekten führen

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Bakterien schreiben wir häufig fast schon automatisch negative Aspekte zu. Wir assoziieren sie mit Erkrankungen, Unwohlsein und etwas, das man mit Antibiotika behandelt. Idealerweise, so die geläufige Meinung, gelangen Bakterien gar nicht erst in unseren Körper, indem wir uns beispielsweise die Hände gründlich waschen und andere Hygieneregeln einhalten.

Bakterien sind aber nicht pauschal schlecht – es gibt auch gute, für den Körper wertvolle Bakterienstämme. Vor allem aber ist ein Gleichgewicht erstrebenswert. Probiotika machen sich diesen Umstand zu Nutze, sind aber keinesfalls pauschal frei von jeglichen Nebenwirkungen.

Was sind Probiotika?

Die lebenden Mikroorganismen finden sich sowohl in speziellen Präparaten (Supplements) als auch verschiedenen Milchprodukten, wie Joghurts, sowie in zahlreichen Lebensmitteln, beispielsweise Sauerkraut. Beim Menschen befinden sie sich im Darmtrakt, wo sie gemeinsam die Darmflora bilden. Diese besteht aus Milliarden bekannter Mikroorganismen, die in einem idealerweise perfekten Gleichgewicht nicht nur die Magen-Darmgesundheit, sondern beispielsweise auch unsere Hirnleistung sowie die Immunabwehr beeinflussen können.

Unser Darm ist auf vielfältige Weise mit Bakterien besiedelt. Die Darmflora besteht aus rund 500 Mikrobenarten, üblicherweise ist der Dünndarm nur geringfügig besiedelt, dafür ist die Bakterienkonzentration im Dickdarm besonders hoch.

Die Bakterien haben allesamt unterschiedliche Aufgaben: Einige nehmen beispielsweise Gas auf und neutralisieren es, andere produzieren wiederum Gas. Ein Gleichgewicht ist für die Darmgesundheit daher anzustreben. Existieren zu viele Gas-produzierende Bakterien, sind anderenfalls Blähungen und Darmstörungen zu erwarten, wenn nicht genügend Gas-verbrauchende Bakterien als Gegenspieler existieren.

Probiotika-Verkauf nimmt zu

Eine Studie des Beratungs- und Statistikunternehmens IQVIA zeigt, dass immer mehr Deutsche in der Apotheke zu Probiotika greifen. Durchschnittlich stieg der Umsatz mit Probiotika um 15 % p.a. an, zuletzt auf über 150 Millionen Euro jährlich.

Indikationen für eine mögliche Probiotikagabe

Klinische Indikationen für eine Probiotikagabe wurden in dieser Studie untersucht und dokumentiert. Die Probiotikagabe kann da in positiven gesundheitlichen Effekten resultieren.

  • einige chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
  • Durchfallerkrankungen und möglicherweise Reizdarm
  • Prävention gegenüber Neurodermitis und einigen Allergien
  • bei chronischer Verstopfung
  • bei einigen Zahnerkrankungen

Unterscheidung gegenüber Prebiotika

Der direkte Zusammenhang zwischen einer idealen Darmbesiedelung mit Bakterien und Probiotika ist wissenschaftlich belegt, wie beispielsweise diese Übersichtsstudie darlegt. Nicht zu verwechseln sind solche Probiotika mit Prebiotika.

Während Probiotika bereits konkrete lebende Mikroorganismen, Bakterien, sind, dienen die Präbiotika den vorhandenen Mikroorganismen primär als Nahrung. Gewissermaßen sind sie damit also eine Vorstufe. Viele Präbiotika sind Kohlenhydrate, die wiederum zur Besiedelung mit Darmbakterien ebenso notwendig sind, wie sie für diese Bakterien als Nahrungsgrundlage agieren.

Wie wissenschaftliche Untersuchungen aufzeigen, können Präbiotika maßgeblich die Bakteriendarmbesiedlung (Darmflora) beeinflussen, ebenso wie beispielsweise das Immunsystem.

Verantwortlich hierfür zeichnet sich der Umstand, dass nicht allen Bakterien gleichermaßen alle Prebiotika als Nahrungsgrundlage dienen. Mit einer externen Zufuhr von Prebiotika, könnten also bestimmte, gute Bakterienstämme ein Plus an Nahrung erhalten, was ihre anteilige Gesamtgewichtung innerhalb der Darmflora verschiebt.

Mögliche Nebenwirkungen von Probiotika

Das Zusammenspiel zwischen schlechten und guten Bakterien erläutert die Grafik von BMJ Publishing, dargestellt auf einer Übersichtsseite, in der Forscherin Ana M Valdes und Kollegen die Effekte der Bakterien und auch mögliche Nebenwirkungen diskutieren.

Die Studienlage ist insbesondere bei einer Überdosierung von Probiotika eindeutig. Andere wissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin, dass viele gemeldete Nebenwirkungen in klinischen Studien nicht zwangsläufig als Evidenz dienen können, da oft nicht exakt eingegrenzt wurde, wie sich diese entwickelten und ob sie konkret auf die Probiotika zurückgeführt werden können. Das gilt aber ebenso für vermeintlich positive Effekte.

Probiotika ist nicht gleich Probiotika

Die Forschung macht in dieser Studie deutlich, dass ein gravierender Unterschied zwischen pharmazeutischen Probiotika und “Lifestyle-Probiotika” (wie beispielsweise Joghurts im Supermarkt) besteht, sowohl mit Hinblick auf die potentielle Wirkung als auch die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß möglicher Nebenwirkungen.

Störungen der Verdauung

Verdauungsstörungen, beispielsweise in Form von Diarrhö oder Blähungen, sind die am häufigsten zu beobachtenden Nebenwirkungen. Eine Rolle spielt im Zuge dessen die freie Verfügbarkeit solcher Probiotika, was häufig zu Selbstversuchen führt, obwohl mitunter gar kein Ungleichgewicht der Darmflora vorliegt.

Dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) sagt Prof. Dr. med. Stefan Schreiber, Direktor des Instituts für Klinische Molekularbiologie an der Universität Kiel, dass die Wirkung von Probiotika bisher lediglich in der symptomatischen Therapie von Antibiotika-assoziierten Diarrhö nachgewiesen sei.

Demnach können Probiotika, wenn nach einer Antibiotika-Einnahme ein Bakterien-Ungleichgewicht entstand, das Gleichgewicht wiederherstellen. Im Umkehrschluss können sie eine eigentlich vorhandene Balance aber auch ins Ungleichgewicht bringen.

Eine weitere Studie kommt zu dem Schluss, dass nach einer Antibiotika-Gabe der Einsatz von Probiotika umstritten sein muss. Im Zuge der klinischen Studien halfen Probiotika vielen Probanden nicht nur nicht, sondern behinderten nach Antibiotika-Gabe sogar den Neuaufbau einer gesunden, ausgewogenen Darmflora. Die Studie bezieht sich auf mehr 80 vorhandene wissenschaftliche Studien.

Kognitive Störungen

Eine Studie, die international und auch im deutschen Raum große Beachtung fand, wurde an der Augusta University in Georgia (USA) von Studienleiter Dr. Satish Rao und seinem Team durchgeführt. Sie untersucht verschiedene Nebenwirkungen von Probiotika mit Fokus auf kognitive Störungen.

In seiner Studie wurden 30 Probanden beurteilt, 22 davon mit kognitiven Störzuständen, beispielsweise Konzentrationsschwächen und Verwirrung. Die Studie stellte fest, dass alle Probanden mit kognitiven Störungen Probiotika einnehmen und eine massive Übersiedelung mit einzelnen Bakterien herbeiführten. Insbesondere der Dünndarm, sonst eher spärlich besiedelt, wies bei diesen Probanden eine hohe Bakteriendichte auf.

Die Studie von Dr. Rao erzielte Erfolge, indem sie Probiotika bei Patienten absetzte und gegen die eingenommenen Probiotika mit Antibiotika therapierte. 85 % der Probanden hatten danach keine kognitiven Störungen mehr, bei 70 % verbesserten sich die Magen-Darm-Beschwerden.

Antibiotikaresistenz

Eine deutschsprachige Studie aus dem Jahr 1996 untersuchte den Resistenzeffekt bei Probiotikagabe. Resistenzen gegen gängige Antibiotika können durch den Einsatz von Probiotika verstärkt werden.

Verantwortlich dafür sind probiotische Keime, die durch den Darm wandern und in einer Überzahl Resistenzen anderer Keime aufnehmen, diese dann wiederum an andere Mikroorganismen weitergeben und vererben. Schlimmstenfalls könnten lebensnotwendige Antibiotika dann weniger gut anschlagen, da der Magen-Darmtrakt unfreiwillig dahingehend Resistenzen bildete.

Hautprobleme

Dass Darm, Haut und Immunsystem eng miteinander verwoben sind, ist der Medizin schon seit vielen Jahrzehnten klar. Folglich ist es mitunter nur wenig überraschend, dass Probiotika bei bestimmten Hauttypen und Hautprofilen zu Hautproblemen führen können. Eine Studie beobachtete bei einigen ihrer Probanden Hautirritationen und Ausschläge. Diese waren zumindest bei einer Person so schwer, dass sie die klinische Studie verließ.

Zusätze und weitere Stoffe beachten

Probiotika sind sowohl als “Lifestyle-Produkt” (Joghurt) oder pharmazeutisches Supplement erhältlich. In beiden Fällen besteht das Produkt nicht ausschließlich aus Probiotika, sondern auch aus Zusatz- und anderen Lebensmittelstoffen. Folglich sind allergische Reaktionen immer denkbar, wenn gegen einzelne der enthaltenen Stoffe eine Allergie vorliegt. Allergiebezogene Nebenwirkungen sind stets individuell.

Infektionsrisiko/geschwächtes Immunsystem

Eigentlich sollen Probiotika auch das Immunsystem stärken, denn selbiges benötigt für eine optimale Funktionsweise einen gesunden Darm mit starker Darmflora. Dass das aber nicht immer so ist, beweist eine Studie aus dem Jahr 2017.

Die Probiotikaeinnahme kann das Immunsystem durch ein generelles Bakterienungleichgewicht schwächen und damit das Risiko für virale und Pilzinfektionen steigern. Generell ist bei chronischen Erkrankungen laut den Autoren der Studie von großer Wichtigkeit, vor der Einnahme den Arzt zu konsultieren. Das ist aber auch bei nicht-chronischen Erkrankungen ein guter Ansatz: um Blindversuche zu vermeiden, die oft nur Nebenwirkungen mit sich bringen.

Histamin-Zunahme

Einige Bakterienstämme können die körpereigene Histamin-Produktion unfreiwillig ankurbeln, wenn sie im Darm überproportional vorhanden sind. Wie eine Studie darstellt, kann es durch die vermehrte Histamin-Produktion zu weiteren Nebeneffekten kommen, zum Beispiel punktuellen Schwellungen, Hitzewellen und/oder Atembeschwerden. Auch typische Allergiesymptome wie tränende Augen und vermehrte Sekretproduktion, sind denkbar.

Nebenwirkungen durch prebiotische Bestandteile

Eine Kombination von Pro- und Prebiotika ist beispielsweise in Milchprodukten denkbar. Insbesondere Menschen mit beispielsweise einer Laktoseintoleranz könnten dann von Nebenwirkungen betroffen sein, wenn die Probiotika die Darmbakterienzusammensetzung verändern und die Prebiotika zeitgleich bestimmte Bakterienstämme mit übermäßig viel Nährstoffen versorgen.

Insbesondere einzelne Stoffe, wie Milch und Ei, können laut einer Studie das Risiko für solch eine unfreiwillige Überbesiedelung steigern. Die Folge dessen sind typische Symptome einer Laktoseintoleranz, beispielsweise Durchfall, Blähungen oder auch Rückenschmerzen, bedingt durch die Gaszunahme im Magen-Darmtrakt.

Probiotika sind kein Allheilmittel: und Nebenwirkungen nicht unwahrscheinlich

Risiko und Nutzen halten sich bei einer klinischen Probiotikagabe die Balance. Zwar existieren Indikationen, in denen eine Therapie mit pharmazeutischen Probiotika sinnvoll sein kann, ebenso aber sind Nebenwirkungen zu berücksichtigen. Insbesondere bei Selbstversuchen besteht das Risiko, dass gar kein Ungleichgewicht vorliegt und die Probiotika dieses erst schaffen.

Am häufigsten sind Nebenwirkungen wie Verdauungsstörungen und kognitive Störungen wie Konzentrationsschwäche und Verwirrtheit zu erwarten. Schlimmstenfalls können Probiotika langfristig eine Antibiotikaresistenz schaffen, an die wiederum eine Reihe weiterer negativer Effekte geknüpft wären.

Wie immer gilt: Vor der Einnahme Rücksprache mit dem behandelnden Arzt halten ist empfehlenswert. Sofort einen Arzt konsultieren, wenn Sie Nebenwirkungen bei sich beobachten, ist angeraten. Ebenso sollten Sie die Probiotika dann sofort absetzen. Außerdem sind entsprechende Einnahmehinweise auf dem Produkt zu berücksichtigen.

Eine Überdosierung mit bestimmten Probiotika und damit einzelnen Bakterienstämmen, steigert auch immer das Risiko von Nebenwirkungen – kurz- sowie langfristig.

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