Abnehmen mit einer Vibrationsplatte – funktioniert das?

Durchgerüttelt und durchgeschüttelt: Können Vibrationsplatten zu einer Gewichtsabnahme führen?

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Vibrationstherapie ist keine Neuheit: Bekannte Leistungssportler wie Lance Armstrong benutzten Vibrationsgeräte, um die eigene Beinmuskulatur zu stärken, auch Promis wie beispielsweise Jennifer Lopez trainieren damit nach eigener Aussage ihr Hinterteil – und Mediziner vertrauen bei unterschiedlichen Indikationen ebenfalls darauf.

Praktisch ist, dass es kompakte Vibrationsplatten mittlerweile für zuhause gibt. Nicht unstrittig ist hingegen, ob diese tatsächlich zum Abnehmen geeignet sind und falls ja, wie stark sich dieser Effekt in der Praxis manifestiert. Die Wissenschaft zeichnet ein gespaltenes Bild, belegt aber auch, dass positive Effekte insbesondere bei längerer Anwendung zu erwarten sind.

Die Geschichte der “Rüttelplatte”

Laut einem Artikel im FOCUS Magazin aus dem Jahr 2006 lässt sich “Vibrationstraining” auf den UdSSR-Sportwissenschaftlicher Wladimir Nasarow zurückführen. Selbiger forschte seit dem Jahr 1978 am Effekt von externer Vibration und Muskelstimulation auf den menschlichen Körper, daraus entstand eine im Jahr 1986 publizierte wissenschaftliche Abhandlung.

In der ehemaligen Sowjetunion kamen Rüttel- und Vibrationsplatten insbesondere deshalb beim Leistungssport zum Einsatz. Trainer und Sportler erhofften sich gegenüber dem internationalen Wettbewerb messbare Vorteile, später durchliefen auch Astro- und Kosmonauten das Training. In den folgenden Jahrzehnten schwappte die Entdeckung zusehends in den angelsächsischen und europäischen Raum.

Mittlerweile benötigt es für Vibrationstraining nicht mehr zwangsläufig einen Besuch beim Sportmediziner oder im Fitnessstudio. Kompakte Vibrationsplatten, wahlweise erhältlich als Bodengeräte mit oder ohne Trainingsbänder oder als Standsäule, halten Einzug in deutsche Schlaf- und Hobbyzimmer sowie aus- und umgebaute Keller.

Das heimische Fitness-Center bleibt eine Nische

Eine auf Statista publizierte Umfrage zeigt, dass mehr als die Hälfte aller Befragten nicht in den heimischen Wänden trainiert. Immerhin rund 25 % der Befragten trainieren dafür mehrfach pro Woche zuhause. Im Zuge der Covid-Pandemie und den Lockdowns in 2020/2021 konnten hingegen Online-Kurse nach einer Befragung von YouGov etwas hinzugewinnen: rund 20 % der Befragten wollten unterschiedliche Kurse wahrnehmen.

Versprechen der Vibrationsplatten

Die Herstellerversprechen sind wenig überraschend nicht zurückhaltend. Hersteller versprechen beispielsweise ein “schonendes Training” oder eine einfache Möglichkeit zur “Entspannung und Kräftigung”. Die Vibrationsplatten sollen den gesamten Körper beanspruchen und zugleich effektiv Kalorien verbrennen. Manche Hersteller sagen sogar: “Ohne Schweiß, ohne Mühe und ohne Diäten”.

Möglich soll das durch viele unterschiedliche Funktionen sein, darunter:

  • Oszillationstechnologie und leistungsstarker Motor
  • mehrere Intensitäten zur Auswahl
  • mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten
  • häufig durch beigelegtes Zubehör, wie beispielsweise Trainingsbänder

Derartige Herstellerversprechen sollten eine gesunde Skepsis hervorrufen. Gewichtsverlust ist stets auf eine relativ einfache Grundregel zurückzuführen: Der Körper erhält weniger Energie als er verbraucht – dann nämlich muss er an seine (Fett-)Reserven.

Wie auch die Wissenschaft mit beispielsweise dieser Studie untermauert, ist zum Abnehmen also ein Kaloriendefizit notwendig. Das lässt sich beispielsweise durch eine bewusstere Ernährung (siehe diese Studie), eine Diät und/oder (sportliche) Aktivität erzeugen. Ziel ist, die über Nahrung zugenommene Energie zu reduzieren, während zugleich die durch Aktivität verbrannte Energie gesteigert wird. Können Vibrationsplatten dabei helfen?

Körperliche/medizinische Effekte und Einsatzmöglichkeiten

Vibrationsplatten führen zu Muskelkontraktionen. Die Muskulatur zieht sich also aktiv zusammen und spannt sich damit an. Weil das für die Muskulatur mechanische Arbeit ist, verbrennt der Körper dabei automatisch Energie, gleichermaßen wird der kontraktierende Muskel trainiert/gestärkt.

Dieser Effekt ist ähnlich dem von EMS-Training, wo eine elektrische Stimulation die Muskelkontraktion auslöst. Das öffentlich-rechtliche Wissenschaftsportal “Quarks” bestätigte in einem Beitrag, auch unter Auswertung unterschiedlicher Studien, die Wirksamkeit vom EMS-Training. Die Redaktion unterstrich aber ebenfalls, dass es kein Wunder- oder Allheilmittel ist.

EMS- und Vibrationstraining besitzen nennenswerte Überschneidungen. Bei beiden Trainingsmethoden wird eine externe Stimulation der Muskulatur genutzt, um bessere Ergebnisse zu erzielen.

Vibrationsplatten zum Abnehmen

Mit “abnehmen” sind in diesem Fall der konkrete Gewichtsverlust sowie eine Reduzierung des Körperfettanteils gemeint. Beides ist differenziert zu bewerten, da beispielsweise ein verringerter Körperfettanteil durch eine trainierte, gestärkte Muskulatur ausgeglichen werden kann. Dann bleibt zwar die Kilogramm-Zahl auf der Waage gleich, fitter sind Sie aber trotzdem.

Warum der BMI problembehaftet ist

Sporadisch wird der Body-Mass-Index (BMI) zur Bewertung eines möglichen Über-, Unter- oder Normalgewichtes hinzugezogen. Selbiger ist aber problembehaftet, da er lediglich das Gewicht in Relation zur Körpergröße stellt. Wie auch die ÄrzteZeitung berichtet, lässt das nur begrenzt eine verlässliche Aussage zu, da sehr muskulöse und klein gewachsene Menschen häufig einen hohen BMI haben, eigentlich aber sehr sportlich sind.

Eine verlässlichere Zahl ist der Anteil des Körperfettes, der als relative Anzahl angegeben wird. Pauschalisiert, gelten Werte <10 % als niedriger Körperfettanteil, >20 % als hoher Körperfettanteil.

Eine Meta-Studie aus dem Jahr 2019 analysierte verschiedene wissenschaftliche Erarbeitungen. Aus mehr als 2.400 potentiellen Studien dienten letztlich nur sieben zur weiteren Beurteilung, die zusammenaddiert 280 Probanden erfassten.

Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die wissenschaftliche Evidenz nicht ausreichend für verlässliche Beurteilungen ist. Es ließ sich aber feststellen, dass Probanden vermehrt Körperfett verloren haben, wenn sie Vibrationsgeräte länger als sechs Monate nutzten. Bei einer kurzzeitigen Nutzung konnte keine belastbare Evidenz für einen Gewichtsverlust ermittelt werden.

Eine weitere Meta-Studie analysierte Vibrationsplatten sowohl im Kontext des Gewichtsverlustes als auch weiteren körperlichen Effekten. Die Autoren bilanzierten, dass ein Großteil der bisher zu der Thematik erfolgten Studien methodische Schwächen aufweist. Vereinzelte Überschneidungen bezüglich positiver Effekte waren jedoch bemerkbar, wenn sie wissenschaftlich auch nicht zwangsläufig belastbar sind.

Bei Osteoporose

Vibrationstherapie erzielt generell sehr gute Ergebnisse bei Osteoporose, wie der OSD-Verband (Osteoporose Selbsthilfegruppen Dachverband e.V.) in einer Auswertung existenter Studien darstellt. Sanfte Vibrationstherapie konnte in den vorgestellten Studien Knochensubstanz wieder aufbauen, erhalten und stabilisieren.

Eine wichtige Unterscheidung ist hierbei aber notwendig: Alle Studienergebnisse beziehen sich nur auf Vibrationstherapie nach LIV (Low Intensity Vibration). Ausdrücklich davon ausgeschlossen sind Vibrationsplatten, die nach dem WBV-Prinzip (Whole Body Vibration) arbeiten.

Im Gegenzug ist nicht komplett ausgeschlossen, dass WBV ebenfalls positive Effekte bei Osteoporose hat, wie beispielsweise die im vorherigen Abschnitt zitierte Meta-Studie darlegt. Verbesserungen der Osteoporose könnten in Abnehmerfolgen resultieren, wenn Betroffene fortan häufiger wieder sportlich aktiv werden.

Bei COPD

Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung könnten von Vibrationstraining profitieren. Das berichtet das Ärzteblatt und beruft sich auf eine Präsentation beim 58. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) sowie einer da vorgestellten Studie.

Die Studie nutzte Vibrationsplatten mit Intensitäten zwischen 24 und 26 Hertz, was als hohe Intensität gilt. Verschiedene Tests zur Leistungsfähigkeit und weiterführende Balancetests erzielten positive Ergebnisse. Insbesondere erwähnenswert ist der Umstand, dass das Training mit Vibrationsplatte bessere Ergebnisse als klassisches Training erzielte.

Insbesondere bei übergewichtigen COPD-Patienten könnten diese Ergebnisse wegweisend sein, da herkömmliches, längeres Training unter COPD-Symptomen nahezu unmöglich ist. Die Vibrationsplatte würde somit als eine symbolische Brücke in ein gesünderes Leben und mitunter auch purzelnde Pfunde agieren.

Zur Optimierung der Gewichtsverteilung

Wie bereits eingangs dargelegt, befähigt das Gewicht in Kilogramm einer Person nicht zwangsläufig zur Beurteilung ihrer Fitness. Eine im Jahr 2016 durchgeführte Studie schaute sich im Zuge dessen den Effekt von Vibrationsplatten und -training in Bezug auf die Gewichtsverteilung im Körper an.

Untersucht wurden Frauen mittleren Alters mit Übergewicht. Sie wurden in drei Kontrollgruppen unterteilt, solche die nur eine Diät machen, Personen die eine Diät und Vibrationstraining machen sowie solche die eine Diät und klassische Aerobic-Übungen machen. Alle drei Gruppen verloren über die Zeit der Studie Körperfett.

Die Wissenschaftler stellen ebenfalls fest, dass innerhalb von neun Monaten kein Unterschied zwischen Diät und Vibrationsplatte sowie Diät und Aerobic-Übungen bestand. Beide Verfahren waren also gleichermaßen effektiv und resultierten in gepurzelten Pfunden und einer Zunahme von Muskelmasse.

Zum Muskelaufbau

Muskelaufbauübungen können indirekt zu einem Gewichtsverlust beitragen. Zwar steigt mitunter kurzfristig das Gesamtgewicht in Kilogramm an, da sich Muskeln vergrößern und selbst Gewicht hinzugewinnen, langfristig ist aber eine Gewichtsreduktion über verlorenes Körperfett denkbar.

Muskeln benötigen besonders viel Energie. Menschen mit trainierter Muskulatur haben also einen höheren Energieverbrauch als Menschen mit wenig Muskulatur – selbst im Ruhezustand. Eine Studie aus dem Jahr 2012 untersuchte mögliche muskelsteigernde Effekte bei jungen Frauen, die dafür zweimal in der Woche für insgesamt acht Wochen mit Vibrationsplatten trainierten.

Die Wissenschaftler stellten positive Veränderungen fest. Insbesondere die Muskulatur und Stärke in der unteren Körperhälfte, also Beinen, Knie und Hüfte, entwickelte sich positiv.

Gestützt werden diese positiven Ergebnisse zur “Bein- und Gelenkstärke” sowie Muskulatur durch eine Studie aus dem Jahr 2010. Sie untersuchte den Effekt von Vibrationstraining bei Basketballern. Auch diese konnten kurzfristige Verbesserungen, beispielsweise bei der Sprungkraft und -höhe, beides durch die Muskulatur beeinflusst, dokumentieren.

Eine deutschsprachige Diplomarbeit aus dem Jahrgang 00/03 liefert weitere positive Ergebnisse. Untersucht wurde die Muskulatur in Rehabilitation mit und ohne Einsatz einer vibrierenden “Power-Plate”. Der Muskelzuwachs bei den Probanden, die die Vibrationsplatte nutzten, fiel messbar höher aus.

Im weiteren Verlauf können Betroffene durch den erhöhten Muskel-Grundumsatz auch besser abnehmen, da leichter ein Kaloriendefizit erzielt wird – zugleich ermöglicht eine trainierte Muskulatur beanspruchendes, effizientes Training.

Effekte auf den Blutdruck

Eine medizinische Studie untersuchte den Effekt von Vibrationsplatten auf Gelenkschwäche und -steifheit sowie den Blutdruck. Dafür durchliefen zehn übergewichtige oder stark übergewichtige Frauen über einen Zeitraum von sechs Wochen verschiedene Trainingseinheiten – ein Teil davon mit und ein anderer Teil ohne Einsatz einer Vibrationsplatte.

Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass alle Probanden von regelmäßigem Training profitierten. Die Gruppe, die das Training mit einer Vibrationsplatte durchlief, hatte nach Fertigstellung aber einen niedrigeren Blutdruck. Dahingehend ist aber nicht verlässlich, auch aufgrund der geringen Probandenzahl, ob das lediglich eine Begleiterscheinung des regulären Trainings generell war.

Kontraindikationen und negative Nebeneffekte

Ebenfalls untersuchte die Wissenschaft die möglichen Nebeneffekte von Vibrationstherapie. Dabei standen aber nicht Vibrationsplatten im Vordergrund, sondern vor allem Probanden, die in ihrer täglichen Arbeit konsequent Vibrationen ausgesetzt sind, beispielsweise weil sie einen Presslufthammer bedienen.

Der Studie nach steigert sich durch häufigen und dauerhaften Kontakt mit Vibration die Wahrscheinlichkeit von Rücken- und Nackenschmerzen, auch Schmerzzustände in der Hüfte, den Händen und Armen oder der Schulter sind denkbar.

Kontraindikationen beachten!

Nicht nutzen sollten Vibrationsplatten pauschal Menschen mit Gleichgewichts- oder Kreislaufstörungen oder wenn sie bereits auf festem Untergrund nicht stehen können. Bei Unwohlsein, beispielsweise durch Übelkeit, ist das Training sofort zu beenden.

Fazit: Keine wissenschaftliche Evidenz für Abnehmerfolge – aber andere positive Effekte

(Sport-)Wissenschaftler sind sich uneins. Ein Teil beleuchtet mit den eigenen Studien mögliche positive Effekte, andere halten die Evidenz nicht für belastbar oder vertreten die Meinung, dass Vibrationsplatten den Muskeln lediglich Beanspruchung vorgaukeln, aber keinen konkreten Trainingseffekt haben.

Gewichtsverluste lassen sich generell nicht wissenschaftlich untermauern. Wissenschaftlich bewiesen ist hingegen der positive Effekt auf die Muskulatur, insbesondere in den Beinen und Gelenken. Indirekt kann eine verbesserte Fitness immer auch zu Gewichtsverlusten führen. Über eine “Abzweigung”, wie eine verbesserte Fitness und trainierte Muskulatur, sind dann weiterführend Körperfettverluste denkbar.

Keinesfalls ersetzt eine Vibrationsplatte eine bewusste Ernährung und sportliche Aktivität sowie Beanspruchung. Wer abnehmen möchte, muss zwangsläufig ein Kaloriendefizit erzielen und damit mehr Energie verbrauchen als er dem Körper zuführt. Dabei könnte aber hilfreich sein, wenn Sie das Vibrationstraining als abwechslungsreicher und interessanter empfinden und somit einen Motivationsschub erhalten.

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