Bluthochdruck wirft bei Forschern noch Fragen auf

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Bluthochdruck beschäftigt nicht nur Ärzte und Patienten, sondern auch Wissenschaft und Forschung: Während in einigen Fällen eine Erkrankung, die Lebensweise oder auch erbliche Veranlagung Hypertonie begünstigt, ist in anderen Fällen keine eindeutige Ursache feststellbar.

Doch selbst bei bekannter Ursache gibt Bluthochdruck Medizinern noch einige Rätsel auf. Zu komplex funktioniert der menschliche Organismus mit seinen zahlreichen ineinandergreifenden Prozessen.

Umstritten ist abgesehen von der Notwendigkeit, dass bei zu hohem Blutdruck dringender Handlungsbedarf besteht, die Intensität der Behandlung.

Ebenfalls im Fokus der Forschung sind die Blutdruckwerte im Normbereich, die von verschiedenen Faktoren abhängen – die Idealwerte sind nicht für alle Menschen gleich. Zuguterletzt befassen sich Wissenschaftler und Institutionen intensiv mit der Blutdruckmessung und den effektivsten Behandlungsmöglichkeiten.

Ideale Blutdruckwerte für verschiedene Personengruppen

Das Robert Koch Institut widmet sich dem Normalwert abhängig von Alter, Geschlecht und Konstitution der Person. So wurde in der DEGS1-Studie des Instituts nachgewiesen, dass Kinder einen anderen Normalwert als Erwachsene haben, die Entwicklung des Blutdrucks im Erwachsenenalter aber bereits im Kindesalter verankert sein kann.

Weiterhin befassen sich die Forscher mit dem Blutdruck hinsichtlich dem Risiko von Folgeerkrankungen, wobei auch das persönliche Umfeld und die Lebensbedingungen Betroffener berücksichtigt werden.

Sprint-Studie – umstrittene Erkenntnisse

Die US-amerikanische Sprint-Studie befasste sich unter anderem damit, wie intensiv beziehungsweise auf welche Werte Bluthochdruck zu senken ist, um lebensbedrohlichen Erkrankungen vorzubeugen.

Uneinig sind sich Mediziner, da eigentlich 120:80 als anzustrebender Wert gilt. Allerdings empfindet der Organismus zu hohe Werte bei starkem chronischem Bluthochdruck als normal und akzeptiert eine Senkung nicht immer ohne Weiteres. Wird er nun zu stark gesenkt, kann der Organismus dies als kritisch bewerten und entsprechend reagieren.

Konkret ging es in der Sprint-Studie darum, ob eine Senkung des systolischen Wertes auf einen Maximalwert von 140 mmHg sinnvoll ist, oder ob er auf 120 mmHg gesenkt werden sollte.

Der Studie zufolge sind die konträren Ansichten der Mediziner nicht ganz unbegründet: Einerseits waren tödliche Folgen durch Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich reduziert, wenn der systolische Blutdruck auf 120 gesenkt wurde.

Andererseits wurden vermehrt Nierenversagen und eine verhältnismäßig langsame Herzfrequenz verzeichnet. Auch der Elektrolythaushalt litt bei intensiverer Blutdrucksenkung. Die Studie wurde schließlich außerplanmäßig vorzeitig beendet.

Dennoch und auch trotz der auf den ersten Blick wenig positiv wirkenden Erkenntnisse ziehen Kardiologen daraus wertvolle Schlüsse: Grundsätzlich ist jeder Patient individuell zu beurteilen, um die jeweils anzustrebenden Blutdruckwerte zu ermitteln sowie eine zielführende Behandlung abzuleiten.

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Eine intensive Behandlung und Senkung des Blutdrucks auf den anerkannten Normalwert kann schwere Folgeerkrankungen verhindern, ist aber auch mit Nebenwirkungen verbunden. Dies gilt es bei der Therapie zu berücksichtigen. Sorgfältige Untersuchungen und Kontrollen tragen dazu bei, auch unerwünschte Begleiterscheinungen rechtzeitig zu behandeln.

Info: Kardiologen betonen, dass die Studienteilnehmer alle über 50 Jahre und bereits wegen zu hohem Blutdruck sowie nachgewiesenem gesteigertem Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Behandlung waren. Die Erkenntnisse der Sprint-Studie seien daher nicht pauschal auf erhöhte Werte anzuwenden.

Für bestimmte Gruppen wie Diabetiker gelten ohnehin andere Maßstäbe. Auch ist die persönliche Lebensführung nicht zu vernachlässigen. Diese kann entscheidend zur Blutdrucksenkung in Richtung eines gesunden Bereiches und einer damit verbundenen Reduzierung von Medikamenten beitragen.

Mitwirkung der Patienten erhöht den Behandlungserfolg

Wer unter Bluthochdruck leidet, muss meist seine Lebensgewohnheiten umstellen. Darüber hinaus verbessert die Mitwirkung der Betroffenen den Behandlungserfolg, indem eigenständige Kontrollmessungen durchgeführt werden. Solche bringen, sofern sie korrekt und regelmäßig stattfinden, gleich mehrere Vorteile:

Sie sehen selbst, wie der Blutdruck abhängig von der Tageszeit Schwankungen unterworfen ist. Je nach Ereignissen, der Ernährung und Aktivitäten können ebenfalls Schwankungen auftreten.

So lernen Sie, wie sich Ihre Lebensführung auf die Werte auswirkt. Der Arzt erhält durch eigene Messungen zusätzlich zu den in der Praxis durchgeführten Untersuchungen stichhaltige Informationen, auf welchen er eine geeignete Behandlungsmethode und gegebenenfalls Medikation aufbauen kann.

Eine amerikanische Studie befasste sich 2018 ebenfalls mit den Messungen in Eigenregie. Die Forscher fanden heraus, dass sich bis dahin nicht ideal eingestellte Werte im Zusammenhang mit den Selbstmessungen verbesserten.

Die Messergebnisse der Probanden wurden an den behandelnden Arzt übermittelt, der damit zusätzliche Informationen zu seinen eigenen Kontrollmessungen erhielt. So konnte die Medikation optimiert werden: Innerhalb von sechs Monaten erreichten 80 Prozent der Probanden die angestrebten niedrigeren Werte. Ähnliche Ergebnisse lieferte eine 2018 veröffentlichte englische Studie.

2014 gab es eine Metaanalyse, die 52 Studien zur Blutdruckmessung beim Arzt und zusätzliche Selbstmessungen untersuchte, veröffentlicht im Annals of Internal Medicine. Wiederum wurde bei jenen Betroffenen, die zu Hause Selbstmessungen durchführten, eine Verbesserung der Werte verzeichnet.

Dies traf insbesondere und nachhaltiger zu, wenn sie vorab entsprechend unterwiesen wurden und die Werte an den Arzt übermittelt wurden, der die Therapie entsprechend anpassen konnte.

Den Blutdruck zu Hause messen

Sind Sie selbst oder ein Familienangehöriger betroffen, können auch Sie jederzeit Ihre Blutdruckwerte zu Hause kontrollieren. Wir haben die besten Messgeräte für den Oberarm und das Handgelenk für Sie analysiert und wichtige Informationen zusammengestellt.

Blutdruckmessgeräte für den Hausgebrauch sind einfach zu bedienen und starten den Messvorgang inklusive Aufpumpen der Manschette automatisch. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt ab, zu welchen Tageszeiten eine Erfassung der Werte stattfinden soll und übermitteln Sie ihm diese regelmäßig, damit er die Therapie und Medikation individuell darauf abstimmen kann. Sowohl Sie als auch der Arzt erkennen Schwankungen und Unregelmäßigkeiten besser, die sich im Idealfall ausgleichen lassen.

Ebenso bemerken Sie Auffälligkeiten frühzeitig und können den behandelnden Arzt informieren – Früherkennung kann vor unliebsamen Folgen bewahren.

Tipp: Vergleichen Sie die Top-6-Blutdruckmessgeräte und wählen Sie das Modell, das Ihre Zwecke in Funktionalität und Ausstattung erfüllt. Nehmen Sie dieses mit zum Arzt, um sich in der korrekten Bedienung und Interpretation der Werte unterweisen zu lassen.

Damit sind Sie neben den Herstellerinformationen und der Bedienungsanleitung bestens gerüstet. Beim Arzt können Sie zugleich eine Vergleichsmessung vornehmen lassen, um die Genauigkeit der erfassten Werte zu überprüfen.

Experten empfehlen enge Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient

Der Koordinator der Medizinischen Hochschule Hannover im Bereich Hypertonie, Professor Florian Limburg, kritisierte in einem Interview, dass an die 50 Prozent der Patienten keine zufriedenstellenden Werte erreichen, obwohl mit einer individuell angepassten Therapie rund 90 Prozent Behandlungserfolge möglich wären.

Er führt dies einerseits darauf zurück, dass sich häufig erst im langfristigen Verlauf Symptome einstellen, andererseits darauf, dass Ärzten häufig die Zeit fehlt, sich so intensiv mit jedem einzelnen Patienten zu befassen, wie es für eine erfolgreiche Therapie notwendig wäre.

Als dritten Grund nennt er die anfänglichen Schwierigkeiten der Patienten: Unabhängig davon, ob ein länger bestehender zu hoher Blutdruck durch Medikamente oder eine Anpassung des Lebensstils gesenkt wird, leidet das Wohlbefinden, wenn sich der Organismus gegen die Therapie wehrt. Ebenso sind Nebenwirkungen durch Medikamente möglich. Folglich sinkt die Kooperationsbereitschaft der Patienten.

Allerdings hätte der Arzt meist die Möglichkeit, die Medikation so zu wählen, dass Unwohlsein und Begleiterscheinungen reduziert werden. Das würde wiederum voraussetzen, dass Arzt und Patient intensiv zusammenarbeiten. Ein Schritt in diese Richtung ist die selbstständige Kontrolle der Blutdruckwerte zu Hause.

Daneben sieht der Experte die Krankenkassen in der Pflicht, damit sich Ärzte mehr Zeit für Hypertonie-Patienten nehmen können. Aufklärung und Beratung könnten dazu beitragen, die Eigeninitiative der Betroffenen zu steigern, während Ärzte die Therapien besser auf den Einzelnen abstimmen könnten.

Hypertonie-Forschung für bessere Behandlungserfolge

Der Blutdruck im Zusammenhang mit den zahlreichen Funktionen im Organismus ist eine komplexe Angelegenheit. Behandlungen werden häufig erschwert, weil jeder Patient individuell auf verschiedene Maßnahmen reagiert und der Therapieplan eine entsprechende Anpassung erfordert.

Auch eventuelle Nebenwirkungen von Medikamenten beeinträchtigen gelegentlich den Behandlungserfolg. Neben der Ursachenforschung widmen sich Wissenschaftler daher verstärkt den therapeutischen Möglichkeiten bei Bluthochdruck.

Die Deutsche Hochdruckliga unterstützt die Forschung, indem durch eine Ethikkommission genehmigte Studien und Interessenten zusammengeführt werden. Das betrifft ebenso die medikamentenbasierte Forschungen wie die nichtmedikamentöse Behandlung. Sind Sie selbst von Hypertonie betroffen und möchten diesbezüglich mitwirken, finden Sie auf der Homepage der Deutschen Hochdruckliga aktuelle Studien, zu welchen Sie sich als Teilnehmer bewerben können.

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